Mythos Digitale Buchhaltung

Digitale Buchhaltung

Mythos Digitale Buchhaltung

Revolutioniert die digitale Technik unsere Arbeit?

Politik, Medien und Wissenschaft sind sich längst einig: Die Digitalisierung bringt grundlegende und tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt. Computerprogramme übernehmen die Tätigkeiten ganzer Branchen. Der Mensch wird zum Überwachungsorgan von automatisierten Arbeitsprozessen. Auch für die Tätigkeiten in der Buchhaltung wird dieses Szenario immer öfters gezeichnet. Steht der Beruf des Buchhalters kurz vor dem Aussterben, oder ist alles nur ein hochgespieltes Trugbild?

Was ist digitale Buchhaltung überhaupt?

Jeder von uns hat große Teile der Buchhaltung längst digitalisiert: Wir verwenden Buchungsprogramme zum Erfassen der Buchhaltungsdaten und zum Erstellen der Auswertungen und der Erklärungen. Heute geht der Begriff „Digitale Buchhaltung“ weiter und bezieht sich auf den Prozess der Übernahme der Buchungsdaten in die Buchungsprogramme, also wie wir unser Buchhaltungsprogramm mit den relevanten Daten füttern. Hiervon sind alle Belegkreise betroffen, jedoch in unterschiedlicher Art: Während Ausgangsrechnungen und Bankdaten heute schon häufig direkt über Schnittstellen aus anderen Programmen (zB Dateien aus Warenwirtschaftsprogrammen bzw. elektronische Kontoauszüge) digital übernommen werden, liegen Eingangsrechnungen und Barbelege meist in Papierform vor. Werden auch diese Belege als digitales Bild erfasst (zB als Scan oder Foto) und in die Buchhaltung miteinbezogen, dann sind alle Belege in der Buchhaltung vollständig digitalisiert.

Von einer digitalen Buchhaltung zu unterscheiden ist eine automatisierte Buchhaltung. Automatisiert man die Buchhaltung so geht man noch einen Schritt weiter: Es wird automatisiert gebucht, also ohne Zutun des Buchhalters. Die Software erkennt die relevanten Buchungsdaten und erzeugt selbst die Buchungen. Diese müssen nur noch als korrekt bestätigt werden – fertig. Es ist im Idealfall keine manuelle Dateneingabe erforderlich.

Automatisierte Buchhaltung funktioniert allerdings nur, wenn die relevanten Buchungsdaten digital zur Verfügung stehen, also entweder als fertige Datendatei oder als Bild.

Wenn heute von digitaler Buchhaltung gesprochen wird, wird darunter meist automatisierte Buchhaltung auf der Grundlage von digitalen Daten verstanden.

Was bringt automatisierte, digitale Buchhaltung?

Aus Erfahrungswerten wissen wir, dass heute im Idealfall bis zu 90 % aller Buchungen eines Klienten automatisiert erzeugt werden können. Dies geht aber nicht zwangsläufig mit Zeit- und Kostenersparnissen einher:

  • Haben Sie zum Beispiel eine Klientenbuchhaltung mit nur sehr wenigen monatlichen Belegen, so kann es effizienter sein, manuell zu buchen.
  • Dasselbe gilt, wenn die Belege eines Klienten sehr unterschiedlich sind, zum Beispiel bei häufigem Lieferantenwechsel oder fremdsprachigen Belegen. In diesen Fällen können die richtigen Konten eventuell nicht zugewiesen werden. Eine manuelle Nachbearbeitung ist notwendig.
  • Auch schwer digitalisierbare Formate der Belege machen den Prozess ineffizient. Hat der Klient zum Beispiel häufig Kassabons mit vielen Positionen darauf, wird der Scanvorgang unter Umständen sehr aufwendig.
  • Automatisierte Buchhaltung setzt moderne IT voraus. Diese IT muss von Ihren Mitarbeitern auch effektiv eingesetzt werden. Gibt es hier Lücken dann führt dies zu starken Effizienzverlusten.
  • Ihre Klienten sollten in den Prozess möglichst miteinbezogen werden. Dies gilt vor allem für die Übermittlung der elektronischen Belege. Digitalisiert beispielsweise der Klient die Belege nicht selbst, müssen Sie diese Aufgabe übernehmen – das kostet Zeit und Geld.
  • Haben Sie die notwenige IT-Infrastruktur? Bis sich große IT Investitionen amortisieren gibt es vielleicht schon andere Buchungsmethoden, die die jetzigen Möglichkeiten der automatisierten Buchhaltung teilweise überflüssig machen (Stichwort: e-Rechnung).

Eine Kosten-Nutzen-Rechnung kann somit nicht generell angestellt werden – jede Kanzlei hat andere Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Es lohnt sich aber sicherlich die Chancen der Digitalisierung und Automatisierung für die eigene Kanzlei genau zu analysieren. Auch eine teilweise Einführung von digitalen Prozessen kann Kosten- und Effizienzvorteile bringen.

Nicht außer Acht lassen sollte man die Bedeutung des Angebots einer digitalen Buchhaltung für die Neukundenakquise. Vor allem junge Unternehmer, die selbst ihr Unternehmen auf digitale Prozesse ausgerichtet haben, fragen verstärkt nach einem Partner, der in der digitalen Welt bereits angekommen ist. Mit einem entsprechenden Angebot werden Sie bei diesen Klienten punkten. Hier kommt auch der Aspekt des Kanzlei-Images zum Tragen: Papier war gestern – digital ist heute!

Stellt sich noch die Frage nach der Qualität der automatisiert erzeugten Buchungen. Dafür sind die eingesetzten Programme, die historischen Buchungsdaten sowie die Arbeitsprozesse entscheidend. Je höher die Qualität in diesen drei Bereichen, desto besser wird das Ergebnis der automatisierten Buchhaltung. Werden Daten nicht korrekt ausgelesen oder können die Konten nicht zugewiesen werden, so geben die gängigen Programme entsprechende Fehlermeldungen – diese Buchungen müssen manuell nachbearbeitet bzw. ergänzt werden.

Zusammengefasst: Worauf sollten Sie achten?

Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, digitale und automatisierte Buchhaltung in Ihrer Kanzlei einzuführen, so können folgende Überlegungen hilfreich sein:

  • Haben Sie bereits die notwendigen Kenntnisse über die Arbeitsprozesse? Digitale Buchhaltung erfordert neue und ausgereifte Arbeitsprozesse – diese unterscheiden sich maßgeblich von der manuellen Buchhaltung.
  • Haben Sie die notwendige IT? Wenn nein, lassen Sie sich unabhängig beraten! Die in diesem Bereich von den IT Unternehmen angebotenen Lösungen unterscheiden sich maßgeblich in ihren jeweiligen Funktionalitäten.
  • Haben Sie die passenden Mitarbeiter um digitale Prozesse umzusetzen? Mit Schulungen allein ist es hier möglicherweise nicht getan. Die Mitarbeiter brauchen eine hohe Affinität zur digitalen Datenverarbeitung um die notwendige Effizienz zu erreichen.
  • Haben Sie Klienten die mit Ihnen die digitale Buchhaltung umsetzen wollen? Die Klienten sollten möglichst in den Prozess miteinbezogen werden. Auch die Anzahl und Struktur der Belege ist von Bedeutung. Nicht für jeden Klienten ist digitale Buchhaltung auch wirtschaftlich sinnvoll.
  • Ist Outsourcing der digitalen Buchhaltung für Sie ein Thema? Innovative Unternehmen bieten diese Dienstleistung für Steuerberater extern an. Dies macht vor allem Sinn, wenn Sie intern nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen.

Das Thema ist insgesamt sehr vielschichtig und komplex. Es ist schwierig einen klaren Einblick zu erlangen. Digitale Buchhaltung ist jedoch kein Mythos mehr – alle Faktoren für eine effektive Umsetzung sind heute bereits gegeben. Sie müssen sich in Ihrer Kanzlei jedoch sehr konkret mit den notwendigen Prozessen, mit der digitalen Technik und mit den Qualifikationen Ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen und Ihre Kanzlei entsprechend entwickeln. Dazu braucht es ein effektives Qualitätsmanagement.

Dr. Christa Farmer
Präsidentin Institut Österreichischer Steuerberater